News - Werden Steinburgs Dörfer Sylter Stränden geopfert
Für Sandvorspülungen auf Sylt wird in Steinburg der ländliche Raum geopfert. Auf diesen Nenner lässt sich die massive Kritik bringen, die die Mitglieder der Lokalen Aktionsgruppe Steinburg (LAG) an der Landesregierung üben – und zwar über alle Parteigrenzen hinweg. Im Kern geht es um die flächendeckende Bildung von so genannten AktivRegionen. In ihnen soll im Zeitraum von 2007 bis 2013 mit erheblichen Mitteln aus Brüssel die ländliche Regionalentwicklung umgesetzt werden. Weil aber Gelder in einer Größenordnung von bis zu 14 Millionen Euro in den Küstenschutz vor der Nordseeinsel umgelenkt werden sollen, fehlen nun plötzlich die finanziellen Voraussetzungen für das ländliche Förderprogramm. Reinhold Wenzlaff (CDU) und Klaus-Dieter Westphal (SPD) machen aus ihrem Entsetzen denn auch keinen Hehl. Beide hatten große Hoffnungen auf die AktivRegion gesetzt. Damit hätte nämlich die erfolgreiche Arbeit der „Leader+“-Gruppe nahtlos fortgesetzt werden können. Innerhalb von vier Jahren waren mit diesem Förderinstrument fast 60 Projekte angeschoben und 120 Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert worden. Zusammen mit den Geldern aus den ländlichen Struktur- und Entwicklungsanalysen (LSE) sowie den Dorfentwicklungen waren zwischen 2000 und 2006 fast zehn Millionen Euro in den Kreis Steinburg geflossen – Geld, das einen Investitionsschub von 23Millionen Euro ausgelöst hat. Die Lokale Aktionsgruppe galt dabei stets als Musterbeispiel für einen unbürokratischen, nachhaltigen und kreativen Einsatz von Fördergeldern. Unterstützt wurden mit dem Geld Jugendarbeit und Wohnmarketing ebenso wie Existenzgründungen und touristische Infrastruktur. Gemeinsam mit der bei „Leader+“ bislang ausgeklammerten Kreisstadt Itzehoe sollte die erfolgreiche Arbeit weiterlaufen. „Wir haben nur noch auf den Startschuss gewartet“, sagt Olaf Prueß vom Planungsbüro Region Nord, der gemeinsam mit Hans-Jürgen Hett und Christian Holst von der Wirtschaftsförderung Kreis Steinburg die Projekte federführend vorbereitet und begleitet hatte. Olaf Prueß beschwört nun die Gefahr, dass landesweit nur noch Großprojekte in den Genuss von Fördergeldern kommen und der ländliche Raum mit seinen vielen kleinen Gemeinden abgehängt werde. Gerade hier komme es langfristig und auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung aber auf Erhalt und Schaffung von kulturellen Eigenarten und Lebensqualität an. Nach Einschätzung von Christian Holst läuft die Landesförderung „Zukunftsprogramm Wirtschaft“ an den meisten kleineren Gemeinden völlig vorbei. Die AktivRegionen seien daher die einzige Möglichkeit gewesen, noch an Fördergelder zu kommen. „Viele wissen noch gar nicht, dass kein Geld mehr kommt“, sagt Klaus-Dieter Westphal eine gewisse Schockwirkung voraus. Sein christdemokratischer Mitstreiter Reinhold Wenzlaff erinnert ganz bewusst an Zeiten, als seine Partei die frühere Landesregierung stets lauthals kritisiert habe, weil sie Fördergelder verfallen ließ. Genau in diese Kerbe schlägt Wenzlaff aber jetzt selbst. Wie er hofft auch Christian Holst, dass in Kiel noch ein Umdenken stattfindet. Bis dahin seien die Akteure der Lokalen Aktionsgruppe zur Untätigkeit verdammt. Wenzlaff: „Was sollen wir uns jetzt noch für Projekte engagieren, damit wir uns als AktivRegion bewerben können, wenn es doch kein Geld dafür gibt.“ Betroffen fügt er hinzu: „Jetzt herrscht Stillstand. Und damit macht man viel kaputt.“ Wenzlaff fordert ein Mindestbudget von 300 000 Euro – „damit in der ländlichen Entwicklung überhaupt noch wirkungsvoll gearbeitet werden kann.“ Volker Mehmel