News - Wenn der Kreis Steinburg altert...
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Haben die Innerortsentwicklung der Steinburger Gemeinden im Blick (v.l.): Dr. Andreas Koeppen, Marion Gaudlitz, Ute Spieler, Volker Haack, Dr. Reinhold Wenzlaff, Olaf Prüß, Dr. Jens-Martin Gutsche, Martin Stepany und Christian Holst. Foto: röhrs |
Immer mehr Grauhaarige, immer weniger Grünschnäbel:
Der Rückgang der Geburtenrate und die Alterung wird
zum Problem auf dem Land. Der demographische
Wandel ist bereits jetzt spürbar. Im Kreis Steinburg
gab es in dem Zeitraum 2006 bis 2010 einen stärkeren Bevölkerungsrückgang als prognostiziert. Bis 2025
werden sich voraussichtlich weitere 8500 der 135 000
Steinburger woanders ein neues Zuhause suchen,
erläuterte Ute Spieler vom Kreisbauamt. "Und die
demographische Entwicklung lässt sich nicht aufhalten."
"Wir wollen nicht darauf warten, dass unsere Ortsmitten verwaisen", sagte Regionalbetreuer Olaf Prüß vom Regionalentwicklungsbüro RegionNord.
Deshalb geht die Region Itzehoe das Thema zusammen mit der AktivRegion Steinburg an. Auf der Veranstaltung "Innerortsentwicklung aktiv gestalten" sprachen Akteure aus der Region über veränderte wohnbauliche Nachfrage, Anforderungen an die Innerortsentwicklung, Infrastrukturfolgekosten sowie erste Ansätze und Projektbeispiele aus dem Kreis.
Wenn nichts passiert, könnte der demographische Wandel zur sozialen und wirtschaftlichen Zeitbombe für die Gemeinden werden: Sinkende Einwohnerzahlen und der zunehmende Anteil älterer Menschen bedeuten, dass immer weniger Menschen mittleren Alters auf Immobiliensuche gehen und immer mehr ältere Menschen auf gut erreichbare Versorgung angewiesen sind, so Prüß. "Es kann der Zeitpunkt kommen, an dem allein die Bereitstellung von attraktiven Wohnbauflächen und die Anziehungskraft der Region Itzehoe nicht mehr ausreicht." Leerstände drohen - insbesondere in so genannten "goldenen Hochzeitsgebieten". Diese überalterten Gebäudebestände an den Mann zu bringen, sei schwierig, wie Prüß erklärte: "Sie sind nicht barrierefrei und nicht energiegerecht." Hinzu käme die fehlende Breitbandanbindung.
Überalterung und Bevölkerungsrückgang erfordere ein Umdenken, wie Ute Spieler vom Kreisbauamt erklärte. "Die Bedürfnisse ändern sich." Die Nachfrage nach Einfamilienhäusern werde sinken, dafür die für Wohnungen in zentraler Lage steigen. "Das bisherige Handlungskonzept der Ausweisung neuer (Wohn-) Baugebiete lässt sich nicht halten." Erhalt und Ausbau statt Neubau lautet die Devise.
Auch die Infrastruktur - Kindergärten, Schulen, Sportstätten, Krankenhäuser - müsse genau unter die Lupe genommen werden, beispielsweise in Hinsicht auf Mehrfachnutzung. So könnte eine Schulmensa auch von Senioren genutzt werden. Denn die Auslastung der Schulen und Kitas werde durch den Geburtenrückgang sinken. Weitere Probleme des demographischen Wandels: Einzelhandel und Gewerbe ziehen sich aus den Ortskernen zurück. Ehrenämter werden schwieriger zu besetzen sein, und Angebote wie Kleingärten und Kegeln funktionieren nicht mehr, so Prüß.
Dipl.-Ingenieur Martin Stephany von der AC Planergruppe brachte die Anforderungen an die Innerortsentwicklung zur Sprache. Der Trend müsse "Zurück zur Mitte" gehen. "Um den Ortskern erfolgreich zu stärken, müssen Neubaugebiete im Außenbereich und Leerstände vermieden werden." In den B-Plänen sollte es nicht mehr um Flächen, sondern um Qualität gehen. Sinnvoll seien Flächeninformationssysteme wie Baulücken- oder Brachflächenkataster, ebenso wie Kooperationen wie die Region Itzehoe.
"Baulücken sind mit Abstand die beste Option der Siedlungsentwicklung", erklärte Dr. Jens-Martin Gutsche vom Hamburger Unternehmen "Gertz Gutsche Rümenapp". Infrastrukturfolgekosten ließen sich dadurch vermeiden. Vor allem könne man damit auch der Nachfrage nach selbstbestimmten, bezahlbarem und altengerechtem Wohnen in der Nähe des bisherigen Wohnstandorts mit weniger Wohnfläche und guter fußläufiger Erreichbarkeit gerecht werden. Von einem Neubau für soziale Einrichtungen wie Schulen sei ebenfalls abzuraten. Aufgrund der sinkenden Schülerzahlen werde nicht jeder Schulstandort gehalten werden können. "Kommunen sollten sich bei der Infrastrukturplanung abstimmen." Statt wie wild Baugebiete auszuweisen, um junge Menschen in den Ort zu holen und damit den Schulstandort zu sichern, sollte darüber nachgedacht werden, wo eine Schule für die Region am meisten Sinn mache, statt das Zufallsprinzip walten zu lassen.
"Das hört sich dramatisch an. Dass es nicht so weit kommen muss, zeigen Beispiele aus der Region", so Prüß. "Für die Inhalte der Innerortsentwicklungskonzepte wird es keine landesplanerischen Vorgaben geben. Die Vorgehensweise hängt von Aufgabenstellung und Größe der Gemeinde ab." Haupt- und Bauamtsleiter Andreas von Possel vom Amt Itzehoe-Land machte das am Beispiel von Hohenaspe deutlich. Die Dorfmitte wurde belebt, um dem Wandel gerecht zu werden. Eine alte Hofstelle wurde abgerissen und ein Senioren- und Dienstleistungszentrum errichtet. Neben seniorengerechten Wohnungen haben hier ein Arzt, ein Bäcker, eine Versicherung, ein Friseur und eine Sozialstation Platz. "Die Auslastung liegt mit 90 Prozent zehn Prozent über dem Soll", machte von Possel den Erfolg deutlich.
Auch Hohenfelde hat das Problem des demographischen Wandels erkannt. Die Bevölkerung Hohenfelde sei überaltert, erklärte Bürgermeisterin Marion Gaudlitz. "Ein Viertel der Einwohner ist älter als 60 Jahre." Infrastruktur und Angebote sollen an den demographischen Wandel angepasst, sowie älteren Menschen ein lebenslanges Wohnen in der Gemeinde, etwa durch ambulante Versorgung, ermöglicht werden. Weitere Projektziele beinhalten Umbaukonzepte für den örtlichen Immobilienbestand und ein "Haus der Generationen". Das Dilemma: Die Finanzierung. Und: "Um Verständnis für das Problem des demographischen Wandels zu schaffen, braucht es mehr Zeit als planerisch gegeben ist", kritisierte Gaudlitz.
Auch Krempes Bürgermeister Volker Haack merkte an, dass das Problem noch nicht in allen Köpfen angekommen ist. "Das Thema wird noch zu viel belächelt - auch von der Generation 50plus." Mit dem "Haus der Krempermarsch" will man dem Wandel Rechnung tragen, auch wenn die Idee mehr zufällig entstanden sei. Die Stadt Krempe wird ihre Einrichtungen wie Feuerwehr und Bücherei im "Haus der Krempermarsch" konzentrieren. Ebenso werden dort zahlreiche Vereine erreichbar sein und ihre Angebote darbieten. "Ergänzend ist eine Senioren-Wohngemeinschaft geplant." Auch in der Region Wilster tut sich etwas: Studenten der HafenCity Universität Hamburg / Department Stadtplanung untersuchen hier die Innerortsentwicklung. Ziel der AktivRegion und der Region Itzehoe sei es, Gemeinden zu motivieren, sich mit der Innerortsentwicklung und mit kooperativen Entwicklungsprojekten für Orte und Regionen auseinander zusetzen.
Der Rückgang der Geburtenrate und die Alterung wird
zum Problem auf dem Land. Der demographische
Wandel ist bereits jetzt spürbar. Im Kreis Steinburg
gab es in dem Zeitraum 2006 bis 2010 einen stärkeren Bevölkerungsrückgang als prognostiziert. Bis 2025
werden sich voraussichtlich weitere 8500 der 135 000
Steinburger woanders ein neues Zuhause suchen,
erläuterte Ute Spieler vom Kreisbauamt. "Und die
demographische Entwicklung lässt sich nicht aufhalten."
"Wir wollen nicht darauf warten, dass unsere Ortsmitten verwaisen", sagte Regionalbetreuer Olaf Prüß vom Regionalentwicklungsbüro RegionNord.
Deshalb geht die Region Itzehoe das Thema zusammen mit der AktivRegion Steinburg an. Auf der Veranstaltung "Innerortsentwicklung aktiv gestalten" sprachen Akteure aus der Region über veränderte wohnbauliche Nachfrage, Anforderungen an die Innerortsentwicklung, Infrastrukturfolgekosten sowie erste Ansätze und Projektbeispiele aus dem Kreis.
Wenn nichts passiert, könnte der demographische Wandel zur sozialen und wirtschaftlichen Zeitbombe für die Gemeinden werden: Sinkende Einwohnerzahlen und der zunehmende Anteil älterer Menschen bedeuten, dass immer weniger Menschen mittleren Alters auf Immobiliensuche gehen und immer mehr ältere Menschen auf gut erreichbare Versorgung angewiesen sind, so Prüß. "Es kann der Zeitpunkt kommen, an dem allein die Bereitstellung von attraktiven Wohnbauflächen und die Anziehungskraft der Region Itzehoe nicht mehr ausreicht." Leerstände drohen - insbesondere in so genannten "goldenen Hochzeitsgebieten". Diese überalterten Gebäudebestände an den Mann zu bringen, sei schwierig, wie Prüß erklärte: "Sie sind nicht barrierefrei und nicht energiegerecht." Hinzu käme die fehlende Breitbandanbindung.
Überalterung und Bevölkerungsrückgang erfordere ein Umdenken, wie Ute Spieler vom Kreisbauamt erklärte. "Die Bedürfnisse ändern sich." Die Nachfrage nach Einfamilienhäusern werde sinken, dafür die für Wohnungen in zentraler Lage steigen. "Das bisherige Handlungskonzept der Ausweisung neuer (Wohn-) Baugebiete lässt sich nicht halten." Erhalt und Ausbau statt Neubau lautet die Devise.
Auch die Infrastruktur - Kindergärten, Schulen, Sportstätten, Krankenhäuser - müsse genau unter die Lupe genommen werden, beispielsweise in Hinsicht auf Mehrfachnutzung. So könnte eine Schulmensa auch von Senioren genutzt werden. Denn die Auslastung der Schulen und Kitas werde durch den Geburtenrückgang sinken. Weitere Probleme des demographischen Wandels: Einzelhandel und Gewerbe ziehen sich aus den Ortskernen zurück. Ehrenämter werden schwieriger zu besetzen sein, und Angebote wie Kleingärten und Kegeln funktionieren nicht mehr, so Prüß.
Dipl.-Ingenieur Martin Stephany von der AC Planergruppe brachte die Anforderungen an die Innerortsentwicklung zur Sprache. Der Trend müsse "Zurück zur Mitte" gehen. "Um den Ortskern erfolgreich zu stärken, müssen Neubaugebiete im Außenbereich und Leerstände vermieden werden." In den B-Plänen sollte es nicht mehr um Flächen, sondern um Qualität gehen. Sinnvoll seien Flächeninformationssysteme wie Baulücken- oder Brachflächenkataster, ebenso wie Kooperationen wie die Region Itzehoe.
"Baulücken sind mit Abstand die beste Option der Siedlungsentwicklung", erklärte Dr. Jens-Martin Gutsche vom Hamburger Unternehmen "Gertz Gutsche Rümenapp". Infrastrukturfolgekosten ließen sich dadurch vermeiden. Vor allem könne man damit auch der Nachfrage nach selbstbestimmten, bezahlbarem und altengerechtem Wohnen in der Nähe des bisherigen Wohnstandorts mit weniger Wohnfläche und guter fußläufiger Erreichbarkeit gerecht werden. Von einem Neubau für soziale Einrichtungen wie Schulen sei ebenfalls abzuraten. Aufgrund der sinkenden Schülerzahlen werde nicht jeder Schulstandort gehalten werden können. "Kommunen sollten sich bei der Infrastrukturplanung abstimmen." Statt wie wild Baugebiete auszuweisen, um junge Menschen in den Ort zu holen und damit den Schulstandort zu sichern, sollte darüber nachgedacht werden, wo eine Schule für die Region am meisten Sinn mache, statt das Zufallsprinzip walten zu lassen.
"Das hört sich dramatisch an. Dass es nicht so weit kommen muss, zeigen Beispiele aus der Region", so Prüß. "Für die Inhalte der Innerortsentwicklungskonzepte wird es keine landesplanerischen Vorgaben geben. Die Vorgehensweise hängt von Aufgabenstellung und Größe der Gemeinde ab." Haupt- und Bauamtsleiter Andreas von Possel vom Amt Itzehoe-Land machte das am Beispiel von Hohenaspe deutlich. Die Dorfmitte wurde belebt, um dem Wandel gerecht zu werden. Eine alte Hofstelle wurde abgerissen und ein Senioren- und Dienstleistungszentrum errichtet. Neben seniorengerechten Wohnungen haben hier ein Arzt, ein Bäcker, eine Versicherung, ein Friseur und eine Sozialstation Platz. "Die Auslastung liegt mit 90 Prozent zehn Prozent über dem Soll", machte von Possel den Erfolg deutlich.
Auch Hohenfelde hat das Problem des demographischen Wandels erkannt. Die Bevölkerung Hohenfelde sei überaltert, erklärte Bürgermeisterin Marion Gaudlitz. "Ein Viertel der Einwohner ist älter als 60 Jahre." Infrastruktur und Angebote sollen an den demographischen Wandel angepasst, sowie älteren Menschen ein lebenslanges Wohnen in der Gemeinde, etwa durch ambulante Versorgung, ermöglicht werden. Weitere Projektziele beinhalten Umbaukonzepte für den örtlichen Immobilienbestand und ein "Haus der Generationen". Das Dilemma: Die Finanzierung. Und: "Um Verständnis für das Problem des demographischen Wandels zu schaffen, braucht es mehr Zeit als planerisch gegeben ist", kritisierte Gaudlitz.
Auch Krempes Bürgermeister Volker Haack merkte an, dass das Problem noch nicht in allen Köpfen angekommen ist. "Das Thema wird noch zu viel belächelt - auch von der Generation 50plus." Mit dem "Haus der Krempermarsch" will man dem Wandel Rechnung tragen, auch wenn die Idee mehr zufällig entstanden sei. Die Stadt Krempe wird ihre Einrichtungen wie Feuerwehr und Bücherei im "Haus der Krempermarsch" konzentrieren. Ebenso werden dort zahlreiche Vereine erreichbar sein und ihre Angebote darbieten. "Ergänzend ist eine Senioren-Wohngemeinschaft geplant." Auch in der Region Wilster tut sich etwas: Studenten der HafenCity Universität Hamburg / Department Stadtplanung untersuchen hier die Innerortsentwicklung. Ziel der AktivRegion und der Region Itzehoe sei es, Gemeinden zu motivieren, sich mit der Innerortsentwicklung und mit kooperativen Entwicklungsprojekten für Orte und Regionen auseinander zusetzen.